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Musik als Lingua Franca: Das globalisierte Orchester

11.03.2011

Globalisierung betrifft nicht nur die Ökonomie, sondern auch die Kultur. Das Orchester der Berliner Philharmonie ist ein Beispiel dafür.

Der Arbeitsmarkt ist seit dem beginnenden Prozess der Globalisierung nicht mehr regional oder national beschränkt. Er ist global geworden. Ein deutscher Arbeitnehmer muss nun nicht mehr nur die einheimische Konkurrenz fürchten, sondern ebenso auch die Arbeitsuchenden aus dem Ausland. Die ZEIT hat diese Entwicklung für junge Kontrabassisten in einem Dossier (Nr. 8/2011) beschrieben. Die Nachwuchsmusiker strömen aus der ganzen Welt herbei, um im Wettstreit um den begehrten Platz einer Orchesterstelle im Konzerthaus Berlin gegeneinander anzutreten. Wie hoch ist inzwischen der Anteil an talentierten und ehrgeizigen Musikern aus dem Ausland in den deutschen Orchestern? Die Berliner Philharmonie gibt eine Antwort darauf.

Die Mitglieder der Berliner Philharmoniker

Der Internetauftritt der Berliner Philharmonie bietet nicht nur eine Vielzahl an Services vom Programmkalender bis zum Archiv oder Workshops für junge Musiker und andere kreative Projekte. Mit jeweils einem kleinen Lebenslauf stellt er auch ihre Musiker vor. Ein Blick auf die biographischen Informationen der 123 Mitglieder des Orchesters, vor allem ihren Geburtsort, birgt einige Überraschungen in sich. 69 Musiker sind in Deutschland geboren, 54 sind in einem Land außerhalb Deutschlands zur Welt gekommen, 14 von ihnen (11,4%) haben das Licht des Lebens außerhalb Europas erblickt.

Ein Blick auf die einzelnen Instrumente

Die Musiker, die Cello, Flöte, Pauke oder Schlagzeug spielen, müssen sich zurzeit wohl am wenigsten Gedanken über die Konkurrenz aus dem Ausland machen. Bei diesen vier Instrumenten liegt der Anteil der in Deutschland Geborenen bei 100%. Auch die Posaune und die Oboe werden noch in erster Linie von gebürtigen Deutschen repräsentiert. Die egalitärsten Instrumente in diesem Zusammenhang sind das Fagott, das Horn, die Querflöte, das Violoncello sowie die Klarinette. Jedes dieser Tonwerkzeuge wird zu gleichen Teilen von Deutschstämmigen und im Ausland Geborenen gespielt. Der Bass ist das einzige Instrument, das von keinem einzigen Deutschen gespielt wird; ihre Spieler stammen aus Finnland und Australien.

Der Wandel der Nationalität der Neuzugänge seit den 1970er Jahren

Einige der 123 Orchestermusiker der Berliner Philharmonie stehen seit über 40 Jahren im Dienst des Orchesters, das weltweit als eines der führenden gilt. Die folgenden Zahlen stellen die seit 1970 hinzugekommen und noch immer tätigen Musiker dar. In den 1970er Jahren wurde das Orchester durch neun Musiker erweitert, von denen lediglich einer seinen Geburtsort nicht in Deutschland hat. In den 1980er Jahren steigt der Anteil von knapp elf Prozent auf 30%. Neun der 30 Neuzugänge haben ihre Augen erstmalig im Ausland geöffnet. In den 1990er Jahren erhöht sich der Anteil weiter auf 41%, wobei 22 von 37 gebürtige Deutsche sind. Eine weitere Zunahme des Anteils erfolgt in den 2000er Jahren. Nun sind mehr als die Hälfte (58%) der Musiker im Ausland geboren (23 von 40). Mit Beginn der neuen Dekade verstärken fünf neue Musiker das Orchester, die alle aus dem Ausland kommen: Sie stammen aus Albanien, Spanien, Israel und Österreich.

Die Bedeutung ausländischer Musiker für die Qualität eines Orchesters

Auch wenn im Zuge der Globalisierung Musiker aus dem Ausland den Konkurrenzdruck für einheimische Tonkünstler noch mehr verstärken, gibt der Einfluss fremdländischer Erfahrung, egal ob im Umgang mit dem Instrument oder der Musik an sich, sowohl dem Programm als auch den Menschen selbst neue Impulse. Deutsche Musiker kommen mit dem Leben ausländischer Kollegen in Kontakt und werden durch ihre musikalischen Erfahrungen in jedem Fall bereichert – was umgekehrt ebenso gilt. Der vielfältige kulturelle Hintergrund jedes einzelnen Musikers kann sich zu einer ebenso vielförmigen und facettenreichen Hintergrundfolie fügen, die jedem einzelnen Künstler zu Gute kommt. Die gemeinsame Sprache der Berliner Philharmoniker ist ohnehin nicht Deutsch oder die Lingua Franca Englisch. Es ist die Musik. Die japanische Geigerin Kotowa Machida formuliert es in ihrer Vita so: „An meinem Beruf liebe ich gerade die Momente, in denen das ganze Orchester gemeinsam mit der Musik zu atmen anfängt“.