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Saubermann und Schmuddelkünstler: Jeff Koons

03.02.2011

Der Amerikaner Koons gehört nicht nur zu den wichtigsten zeitgenössischen Künstlern, sondern ist ebenso einer der Superstars der internationalen Kunstszene.

Der 1955 in Pennsylvania geborene Amerikaner studiert ab den frühen 1970er Jahren Kunst in Baltimore und Chicago und erhält 1976 einen Bachelor der Schönen Künste. Es zieht ihn in die Metropole New York, wo er mit Nebenwohnsitz in seiner Heimtstadt York (PA) auch heute noch lebt. Seine Werke sind in den bedeutendsten Sammlungen der Welt vertreten, darunter das MoMA (New York), die Tate Gallery (London), das Museum Ludwig (Köln) oder das Metropolitan Museum (Tokio).

Supersauber: Jeff Koons Edelstahlskulpturen

Koons ist in erster Linie für seine über drei Meter hohen Edelstahlskulpturen bekannt, wie beispielsweise den Balloon Dog (1994-2000), der in fünf Farben (blau, rot, gelb, orange und rot) seine St(r)ahlkraft erhält und Stückpreise von mehreren Millionen Dollar erzielt hat. Auf ein ebenfalls erhebliches Interesse sind seine öffentlichen Installationen wie Puppy gestoßen, ein über zwölf Meter hohes mit Pflanzen bestücktes Metallgestell in Form eines Hundes, das in Arolsen, New York, Sydney und Bilbao zu sehen war.

Extrem schmutzig: Made in Heaven

Ebenfalls Aufsehen hat seine Serie „Made in Heaven“ erregt, in der er und seine damals Angetraute, der Pornostar Cicciolina, das Repertoire aller erdenklichen sexuellen Praktiken abspielen – in Öl oder als Skulptur. Wie der SPIEGEL schreibt, kombiniert Koons „supersaubere Oberflächen mit extrem schmutzigen Motiven, Ironie mit Ernsthaftigkeit“ und wird damit häufiger als legitimer Nachfolger von Warhol bezeichnet , der mit der zuckersüßen Oberfläche seiner Werke die Kunstwelt verstört. Koons selbst betrachtet sich eher als Nachfolger Dalìs: er kombiniert ein differenziertes Handwerk mit einfachen Formen.

Die Macht des Geldes und der Vermarktung

Jeff Koons gehört in die Riege von Künstlern, deren Selbstvermarktung einen wesentlichen Teil ihrer Berühmtheit ausmacht. Jede öffentliche Präsentation seiner Werke, jedes Wort in den zahlreichen Interviews, jede Verkaufsverhandlung und jedes Foto sind kühl kalkuliert – nicht umsonst war Koons nach seinem Studium als Broker tätig. Geld regiert die Welt. Neben Damien Hirst und Takashi Murakami war Koons kürzlich beim Milliardär Victor Pinchuk zu Gast, der mit Millionen versucht, die ukrainische Hauptstadt Kiew als europäische Kunstmetropole zu etablieren und Unterstützung beim Marketinggenie Koons holt. Koons selbst sagt: „Meine Kunst und mein Leben sind absolut eins“. Und so reflektiert das Auf und Ab seiner Karriere auch seine Kunst. Koons kennt den seidigweichen Triumph, aber auch den knallharten Absturz.

Die Kunst des Comebacks

Koons wächst im drögen Pennsylvania in einfachen Verhältnissen als Außenseiter auf. Er ist klein, weichlich und dem Sport nicht wohl gesinnt. Malen ist seit seiner Kindheit das, was er am liebsten tut und womit er sich abgrenzt. Und noch etwas unterscheidet ihn, vor allem später, von den anderen; die Fähigkeit, den richtigen Moment wahrzunehmen und für sich zu nutzen: „Wenn ich den Ball bekomme, halte ich ihn fest, bis mich einer umrennt“ (SPIEGEL, 08.09.08).

In einem Interview im Jahr 1992 mit dem SPIEGEL wird er als beharrlich lächelnder, sanfter, vertraulicher Mensch beschrieben, der auf sein Gegenüber eingeht. Doch die nette, verbindliche Art paart sich ebenso mit einem rigorosen Selbstbewusstsein, wenn er sich als der „tiefsinnigste Künstler der Gegenwart“ bezeichnet. Die, wie viele vermuten, inszenierte Ehe mit Ilona Staller (Cicciolina) hebt ihn auf den Höhepunkt der medialen Aufmerksamkeit. Er sagt dem braven Image bye-bye und avanciert nach seiner Serie „Made in Heaven“, zu deren Portfolio auch Aktfotos seines gestählten Körpers gehören, bald zum „Gym-Dandy“. Doch auf den Höhenflug folgt der Absturz. Das Paar gerät nach der Trennung in einen Sorgerechtsstreit um den gemeinsamen Sohn Ludwig und Koons verschwindet von der Bildfläche.

Mit einer Retrospektive der Deutschen Guggenheim in Berlin im Heiligen Jahr (2000) ist Koons wieder zurück. Innerhalb von zwei Jahren ist er in sieben großen Einzelausstellungen von Los Angeles über Bilbao und Bregenz bis nach São Paulo zu sehen. Sein Schaffen bis zum Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts ist vielseitig und von Fleiß geprägt. Mit seiner Serie Hulk Elvis schafft er zwischen 2007 und 2008 eine Vielzahl von großformatigen Ölbildern, in denen die Comicfigur Hulk im Zentrum steht, ein Vorgehen das er ab 2001 mit der Serie Easyfun – Etheral eingeleitet hatte, „in denen er Motive wie Schokoladen-Doughnuts, grell geschminkte Lippen und leuchtend bunte Haarlocken zu collagenhaften Ensembles verwebt“ (Klappentext des gleichnamigen Buches aus dem Hatje Cantz Verlag).

Heute hat sich Koons seinen Platz in der Kunstwelt zurückerobert. Im Jahr 2008 leitet er, einer Warhol’schen Factory nicht ganz unähnlich, auf 1.500 qm über 80 Mitarbeiter an, die nach seinen Vorgaben („Ich kontrolliere jedes einzelne Werk“) Skulpturen und Gemälde schaffen, die voller Lust und Leidenschaft sind, sich aber auch durch ihre Präzision und Glätte auszeichnen – „koonsianisch“, wie ihn die „New York Times“ mit einer Wortschöpfung adelte.

Jeff Koons: Kühl kalkulierender Selbstdarsteller oder King of Kitsch?

Koons polarisiert. Manche halten ihn für einen aufmerksamkeitsheischenden Selbstdarsteller, der nicht seine Kunst sondern sich selbst zum Objekt macht. Andere respektieren die Fülle seines Werkes, mit dem er in erster Linie die amerikanische Konsumkultur inszeniert, sie somit konterkariert und einer hämischen Ironie aussetzt. Beachtenswert ist auf jeden Fall die Tatsache, dass Koons es nach Niederlagen immer wieder an die Spitze der Aufmerksamkeit von Medien und Kunstszene sowie in die Ausstellungsräume der großen Museen und Galerien geschafft hat und auf eine raffinierte Weise die Vermarktungsstrategien von Kunst aufs Korn nimmt, denn was man gut kennt, kann man umso subtiler kritisieren. Sicher ist eines: Ob radikal oberflächlich oder extrem tiefgründig, Google sieht Jeff Koons auf dem Thron der wichtigsten Künstler der Gegenwart.