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Rezension: Klaus Modick, „Konzert ohne Dichter“ (2015)

04.03.2015

„Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe / So müd geworden, daß er nichts mehr hält / Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe / Und hinter tausend Stäben keine Welt“.

Es ist nicht Rilkes Panther, der sich hier gefangen sieht, es ist der 33jährige Tausendsassa Heinrich Vogeler, der sich in einem goldenen Käfig wähnt. Der erfolgsverwöhnte Maler, Grafiker, Architekt und Designer erhält an einem Junitag im Jahr 1905 eine hochkarätige Auszeichnung für ein Bild, das seinem künstlerischen Anspruch auf Wahrheit nicht mehr genügt.

Denn Dinge ändern sich.

Auf dem Weg zur Preisverleihung entspannt sich retrospektiv die hinter dem Bild liegende Geschichte. Hier spielen die „Familie“ genannten Freundinnen und Freude der Künstlerkolonie Worpswede ebenso eine Rolle wie der Dichter Rainer Maria Rilke, der Vogeler einst ein Seelenverwandter war.

Während Kunstmäzene, Hochoffizielle und selbsternannte Kunstexperten dem Bild „Das Konzert (Sommerabend)“ huldigen, durchlebt Vogeler die schmerzhaften Erinnerungen, die an der Genese des Meisterwerkes hängen. Und in diesem Augenblick werden ihm auch die Mechanismen des Kunstmarktes und der Kreislauf seines Hamsterrades gewahr, die ihn dazu zwingen, rastlos zu produzieren, um Haus, Hof und Familie zu ernähren.

Es ist schwerlich nachvollziehbar, wie das Buch „Konzert ohne Dichter“ auf einen Leser wirkt, der weder den Zauber der Rilke’schen Lyrik noch die filigrane Opulenz des Jugendstils schätzt. Wer dies jedoch tut, wird für ein paar Stunden in eine mythisch schöne Künstler- und Naturwelt entführt. Modicks poetische Sprache schmiegt sich an den seufzenden Leser, nimmt ihn an die Hand und bittet ihn zu einem beschwingten, von Spätsommerluft durchtränktem Tanz durch das Moor und die zarte Künstlerseele. Und langsam entfaltet sich im Leser der sehnlich-schmerzhafte Wunsch, dass dieser zarte Reigen nie ein Ende nähme.