web analytics

— Hide menu

Das Geheimnis der Farben: Mark Rothko

13.01.2011

Mit seinem Bild „White Center“ gehört Mark Rothko zu den zehn teuersten Künstlern der Welt. Was ist das Besondere an seinen Farbfeldern?

Mark Rothko wird 1903 im heutigen Lettland als Marcus Rothkowitz geboren und genießt eine strenge religiöse Erziehung in einer Talmud-Schule. Diese Religiosität wird auch später zum wesentlichen Bestandteil seiner Kunst. Die Familie, jüdischen Glaubens, emigriert nach den russischen Pogromen 1913 in die USA. Zuerst lebt die Familie in Portland (Oregon), später lässt sich Rothko in New York nieder. Vermutlich an einer manisch-depressiven Störung leidend, begeht der Künstler im Februar 1970 Selbstmord in seinem Atelier.

Rothkos Ausbildung und sein Weg zu den Farbkonstellationen

Rothko, einer der bedeutendsten amerikanischen Künstler des 20. Jahrhunderts, studiert zunächst mit einem Stipendium an der Yale University Psychologie und Philosophie. Diese Disziplinen beeinflussen seine Auffassung von Kunst wesentlich. Nach der Streichung des Stipendiums belegt er ab 1924 am Arts Students League Kurse in Anatomie und Figurenzeichnen. Später studiert er Schauspielerei und an der New School of Design in New York. Seit 1933 stellt er regelmäßig aus. Zuerst sieht er sich der figurativen Malerei verhaftet. Über den Surrealismus und hier vor allem über den Einfluss von Max Ernst, aber auch Henri Matisse findet Rothko zu reinen Farbkonstellationen. Diese Art der Neuanordnung findet in den 1950er Jahren zum Beispiel auch in der deutschsprachigen Lyrik, der sog. Konkreten Poesie, ihren Niederschlag. Rothkowitz erhält mit 35 Jahren die amerikanische Staatsbürgerschaft und nennt sich seit 1940 Mark Rothko. Neben Jackson Pollock und Clyfford Still ist er der dritte im Bunde der älteren Generation der Abstrakten Expressionisten, auch wenn er das Etikett abstrakt selbst immer ablehnt. Ähnlich wie die Konkrete Poesie, die auch als Abstrakte Poesie beschrieben werden kann, entwirft der Künstler einen vieldeutigen Bildraum, in den sich der Rezipient begeben kann, um seine eigenen individuelle Erfahrung mit dem Werk zu machen.

„White Center“ – eines der teuersten Bilder der Welt

Rothko, von seinen Künstlerkollegen in die Schublade intellektuell geschoben, interessiert sich neben der Kunst auch sehr für Musik, Literatur und Philosophie. Unter dem Einfluss dieser Disziplinen beschreitet er in der Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte einen höchst individuellen Weg und findet mit seinen Farbfeldern Eingang in die Annalen der Kunst. Sein bekanntestes und teuerstes Werk, „White Center“ (1950) – ein Paradebeispiel für seine Kunst – wird 2007 im Auktionshaus Sotheby‘s für fast 73 Millionen US-Dollar versteigert. Auf einem Großformat (205,8 x 141 cm) mit dem Untertitel „Gelb, Pink und Lavendel auf Rosa“ sind die für ihn typischen Farbfelder untereinander angeordnet. Charakteristisch sind die reinen Farbkonstellationen, die formale Reduktion, die sich überlagernden Farbschleier, die durch das Durchscheinen der Schichten zur Wirkung gebracht werden. Rothko sagt selbst „Die Wiege meiner Gemälde ist Gewalt“. Dennoch wirken die Bilder oft beruhigend und meditativ. Und der Künstler hat zur richtigen Rezeption auch Empfehlungen. Der Betrachter solle bei geringer Beleuchtung etwa einen halben Meter vor dem Bild stehen um eine intensive Betrachter-Bild-Beziehung aufbauen zu können. Die Wirkung der Bilder bezieht sich nur auf die Farben und ihre Transzendenz.

Die Aufgabe des Künstlers, das Geheimnis des Unbewussten zu lüften

Der Schriftsteller William S. Burroughs, Vertreter der sogenannten Beat-Generation, ist der Meinung, dass der Künstler die Aufgabe hat, den Betrachter auf etwas unbewusst Verborgenes aufmerksam zu machen. Dieses Unsichtbare, kaum Greifbare können vor allem Gefühle sein, für deren Illustration sich Rothko stark interessiert. Und hier kommt auch der religiöse Einfluss, dem der Künstler unterliegt, wieder ins Spiel. Die Bilder strahlen eine hohe emotionale Intensität aus, die seiner Meinung nach mit religiöser Erfahrung zu vergleichen ist.

Die Kunst als religiöser und hypnotischer Erfahrungsraum

Die intensiv leuchtenden Farbfelder, die vor hellen oder dunklen Hintergründen zu schweben scheinen, sind stellvertretend (so der Kunsthistoriker Werner Haftmann) „für das uns umgebende Große und Universelle“. Rothkos Bilder werden zum „Symbol eines unbegrenzten geistigen Raumes“. So wie andere Bilder durch eine figurative Darstellung etwas ausdrücken, stehen bei Rothko allein die Farben im Vordergrund, die „die Idee und das Inhaltliche“ auf eine hypnotische Weise bestimmen. Der Künstler versucht, „seine Farbkonstellationen zu verdichten“, so „dass sie für den Betrachter zu bewegter Handlung“ werden. Die Farbfelder generieren einen „Erfahrungsraum“, wie die Gemäldegalerie Berlin konstatiert.

Das Geheimnis von Rothkos Bildern liegt also in der Intensität der Farben begründet, die zu einem außergewöhnlichen, mitunter metaphysischen Kunsterlebnis beim Betrachter führen. Diese Intensität erreicht er in einem langen Malprozess, in dem er immer wieder halb-transparente Schichten übereinander legt – so wie eine Persönlichkeit durch die Summe ihrer Erfahrungen wächst. Vielleicht ist Rothkos Kunst so auch der Ausdruck einer vielschichtigen Persönlichkeit mit außerordentlich breit gestreuten Interessen und Erfahrungen.

Quellen: Edward Lucie-Smith (1999): Bildende Kunst im 20. Jahrhundert. Könemann.
Ausstellungstext zur großen Retrospektive der Hamburger Kunsthalle vom 16.05.-14.09.08.