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Wie Kunst Mode berührt und Mode zur Kunst wird

07.03.2011

Modeikone und Style-Expertin Anna dello Russo sammelt Kleider wie andere Leute Kunst. Hier stellt sich die Frage: Was haben Mode und Kunst als Kulturphänomene gemeinsam?

Ein bestimmtes Kleidungsstück ist das Markenzeichen einiger Künstler und Kreativer. Pablo Picasso trug mit Vorliebe zweifarbige Ringelshirts, der Maler und Regisseur Julian Schnabel tritt selbst in der Öffentlichkeit gern im Pyjama, bisweilen sogar im Bademantel, auf. Joseph Beuys würden viele ohne Hut vermutlich nicht wiedererkennen und der britische Designer Galliano geht selten ohne Piratenkopftuch aus dem Haus. Diese Künstler drücken sich mit ihrer Kunst aus und kommunizieren auch über ihre Kleidung. Sie stellen somit einen Teil ihrer Persönlichkeit nonverbal in den Vordergrund.

Mode und Kunst als Mittel der Kommunikation und des Ausdrucks

Jeder, der sich für Mode interessiert und/oder Stil hat, weiß, wie sehr der eigene Charakter und die momentane Gefühlsage die Kleiderwahl beeinflussen. Bei schlechter Laune hilft manchen schwarz oder erst recht ein farbenprächtiges Kleid als Stimmungsaufheller. Und wer prächtig gelaunt ist, wirft sich vielleicht nur in Jeans und Shirt, weil er keinen Beistand braucht oder schreit die gute Laune mit einem exzentrischen Kleidungsstück heraus, dass sie (oder er) sonst kaum zu tragen wagen würde. Zarte Stoffe versinnbildlichen eher einen sensiblen Charakter. Derjenige, der mit Vorliebe feste Stoffe wie Leder trägt, zeigt: Ich weiß, wo’s lang geht. Jeder Mensch kommuniziert, bewusst oder unbewusst, mit seiner Kleidung, präsentiert sich als intro- oder extrovertiert, tiefgründig oder oberflächig. Und so gibt auch jeder Künstler mit seinem Werk etwas von sich selbst preis: Sujets und Motive erzählen, was ihn berührt. Die Farbgebung verweist auf seine Grundstimmung.

Die Macht der Farben

Die kommende Sommersaison treibt es endlich wieder bunt! Grelle Farben, wild gemixt beleben hoffentlich in wenigen Monaten die Straßen der Republik und lösen die Pastelltöne ab. Orange trifft auf grün, royales Blau vermählt sich mit rot. Vielleicht ist die farbenfrohe Mode nach der Wirtschaftskrise ein Zeichen des Aufatmens, ein Aufruf an die Welt, mit guter Laune und positiver Energie der Zukunft entgegen zu treten. Eine Parallele gibt es in der Kunst: In der Zeit des Impressionismus (etwa 1850-1900) entsteht nach den Wirren der Französischen Revolution eine neue Leitkultur. Paris wird Zentrum für Kunst- und Kulturleben und ebenso auch Hort für viele impressionistische Maler. Ihre Farbpalette zeichnet sich durch deutlich hellere Farben aus. Die Künstler bringen mit Vorliebe freundliche Landschafts- und Stadtszenen auf die Leinwand.

Die Entwicklung einer eigenen Sprache

Fotograf Alec Soth stellt in einem Interview fest (art 03/2011): “Wenn man versucht, etwas Neues zu machen, muss man eine eigene Sprache entwickeln. Wenn man andererseits schon bekannte Elemente über Bord wirft, läuft man Gefahr, nicht mehr verstanden zu werden“. Dies gilt sowohl für die Kunst als auch für die Mode. Eine in der Modeszene Begeisterungsstürme auslösende Kollektion wird dem Designer nur gelingen, wenn seine Handschrift sichtbar bleibt. Pure Plagiate werden im Publikum nur ein Gähnen auslösen und höchsten diejenigen begeistern, die ihren eigenen Stil noch suchen. Die Strategie der völligen Loslösung von bereits vertrauten Elementen und des Präsentierens futuristischer und damit vermutlich auch untragbarer Mode wird in seltenen Fällen erfolgreich sein. Sowohl für die Mode als auch für die Kunst gilt: Anklang findet der richtige Mix aus Avantgarde und Tradition – eine kreative Variante des bereits Bestehenden. Und so wie sich einige Künstler von früheren beeinflusst sehen und diese zitieren, greift auch in der Mode der eine oder andere Designer auf altbewährte Muster oder Schnitte zurück und kombiniert sie neu. Eines der besten Beispiele für diese Transformation ist Karl Lagerfeld, der in den 1980ern die etwas angestaubte Marke Chanel mit frischen Ideen und eigener Handschrift revitalisiert. Dem Geist ihrer Gründerin bleibt er dennoch treu.

Mode im Museum

Das New Yorker Museum of Modern Art hat den Trend der Verbindung von Mode und Kunst im Herbst des letzten Jahres aufgegriffen und im MoMA PS1 einem frischen, zeitgenössischen Kunstprogramm Platz gemacht. Unter dem Motto „MOVE!“ präsentieren insgesamt 14 Paarungen aus je einem Modedesigner und einem Künstler Performances oder Installationen. Dazu gehören u.a. Rob Pruitt und Marc Jacobs. In einem anderen künstlerischen Bereich ist die Mode ohnehin schon längst angekommen: in der Fotografie. Fotografen wie Peter Lindberg, Terry Richardson, Richard Avedon, Peter Lindberg, Herb Ritts oder Bruce Weber sind gleichermaßen in der Werbefotografie als auch in der Kunst anerkannt und etabliert. Zuletzt hat das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt (Main) „Mode und Fotographie der 90er Jahre“ gezeigt.

Kunst und Mode: Ästhetik und Sinnlichkeit

Für die ehemalige Vogue-Chefin Anna dello Russo sind Kleider schon seit ihrer Kindheit Kunst: „Für mich ist Mode eine Art Lebenssinn. Ich hatte von klein auf den Ehrgeiz, alles darüber zu wissen. Ich träume davon, die Schönheit der ganzen Welt kennenzulernen“ (ZEIT-Magazin 08/2011). Nicht nur die Fashionista – auch der Künstler braucht eine Gabe zur Schöngeistigkeit und Ästhetik, zur Leichtigkeit und Sinnlichkeit, zum kindlichen Blick auf die Dinge.