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Das Geheimnis der Stille: der schottische Künstler Peter Doig

10.02.2011

Peter Doig gehört mit seinen Ölgemälden zu den wichtigsten europäischen Künstlern der Gegenwart. Was ist das Geheimnis der rätselhaften Aura seiner Bilder?

Der 1959 in Edinburgh geborene Maler Peter Doig gehört zur jüngeren Generation der vom Kunstmagazin MONOPOL 2007 gewählten wichtigsten zeitgenössischen Künstler. Mit seinem Bild „White Canoe“ (1990/91), einem etwa zwei auf zweieinhalb Meter großen Ölgemälde, das bei Sotheby’s für 5,7 Mio. britische Pfund versteigert wurde, wird der der Kunstöffentlichkeit zwar bekannte, aber wenig beachtete Schotte 2007 über Nacht zum teuersten europäischen, noch lebenden Künstler.

Geprägt vom exotischen Flair der Karibik und den unendlichen Weiten Kanadas

Gerade drei Jahre alt, siedelt Peter Doig mit seiner Familie von Edinburgh nach Trinidad, wo der Vater für eine Schiffsgesellschaft arbeitet. Vier Jahre später geht es nach Kanada. Im Alter von 20 Jahren zieht es Peter Doig zurück nach Europa, wo er sich an der Wimbledon School of Art einschreibt und kurze Zeit später ein Studium an der St. Martin’s School of Art beginnt. Mitte der 1980er kann er seinen ersten Erfolg verzeichnen: eine Soloausstellung in der Metropolitan Gallery in London. Zehn Jahre später wird er für den Turner Prize nominiert. Von da an ist er fünf Jahre lang als Kurator der Tate Gallery tätig. Im Jahr 2002 geht er mit seiner Frau und fünf Kindern zurück nach Port of Spain, wo er seitdem zurückgezogen lebt. Nur gelegentlich verlässt er sein persönliches Paradies, um beispielsweise nach Deutschland zu fliegen, wo er seit 2005 am Fachbereich Malerei der Kunstakademie Düsseldorf als Professor lehrt. In Deutschland ist der Künstler mit einer großen Ausstellung zuletzt in der Schirn Kunsthalle Frankfurt zu sehen gewesen. Die multikulturellen Erfahrungen und die des Auswanderns sowie das ständige Abschiednehmen von Freunden und einer vertrauten Umgebung hinterlassen Spuren in einem Menschen. Diese machen ihn entweder zu einem Kosmopoliten oder entwurzeln ihn und lassen somit den Wunsch nach der Erschaffung einer eigenen Welt entstehen. Doig hat mit der Malerei einen Weg gefunden, diesen Vorstellungen und Erfahrungen einen Ausdruck zu verleihen.

Rätselhafte Werkwelten und Gedankenspiele

Von Gerhard Richter stammen die Worte, dass Bilder Trost spenden, „wenn sie ähnlich rätselhaft sind wie das Leben selbst. Allein die Annäherung an diesen Zustand löst Glücksgefühle aus“. Und diese beschriebenen Emotionen entfalten sich vor den träumerischen „Werkwelten“ (SPIEGEL) des schottischen Künstlers: seine Vorliebe für Landschaften, seine von Kontemplation, Rückzug, Meditation, Traum und Versunkenheit geprägten teilweise transzendenten Bilderwelten, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Doig ist der Romantiker unter den Gegenwartskünstlern. Die Glücksgefühle entstehen durch eine fast übersinnliche Zugkraft des Bildes, durch eine Identifikation mit den entrückten und träumerischen Figuren in seinen Bildern, die vom Reichtum ihres Inneren zehren, die mit der ungestümen, bildergewaltigen und ohrenbetäubenden, hochzivilisierten Welt nichts zu tun haben wollen. Das Boot, auch als Kanu oder Kajak, spielt eine besondere Rolle in seinem Werk. In der Symbolik der Traumwelt steht das Boot für die eigene Persönlichkeit, das ruhige auf einem Fluss paddeln versinnbildlicht absolutes Vertrauen: in die Natur, aber vor allem in sich selbst. Und so ist die Ruhe, die Zurückgezogenheit auch Doigs Lebensmotiv. Während andere Künstler russischen Milliardären den Hof oder durch spektakuläre Installationen auf sich aufmerksam machen, zeigt Peter Doig zusammen mit seinem Kollegen Che Lovelace seit 2003 in einem Filmclub in Port of Spain lieber Avantgardefilme und Kinoklassiker der Karibik. Die Filmplakate malt er selbst.

Was will uns der Künstler sagen? Peter Doig im Interview

Seine Zurückgezogenheit spiegelt sich auch in einem recht raren Angebot von Interviews wider, von denen die meisten nur im englischsprachigen Raum zu finden sind. Eines davon hat Tim Adams vom „Observer“ im Januar 2008 geführt. Auf die Frage, wie es sich anfühlt, plötzlich in die Mühlen des verrückt gewordenen Marktes geraten zu sein, entgegnet er: „It made me feel sick, really“. Die Vorstellung, dass jemand so viel Geld für eines seiner Bilder gezahlt hat, ist mit nichts, was er je getan hat, in Verbindung zu bringen. Gemäß der Beckett’schen Maxime (Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.) beschreibt der schottische Künstler seinen Arbeitsprozess als ein Produkt von Fehlern, die Fehlern folgen und auf Fehlern aufbauen. Doig erzählt weiterhin davon, dass er mehr von der Idee der Erinnerung fasziniert ist als von besonderen Ereignissen der Vergangenheit, denn diese Erinnerungen fragen: Wie bist Du dahin gekommen? Zum Kontemplativen und Meditativen seiner Bilder passt auch Doigs gemächliche Arbeitsweise, mit der er sechs oder acht Bilder im Jahr fertig stellt. Besonders der Prozess des Ein-Ende-Findens bereitet ihm immer noch Schwierigkeiten, den er wie folgt beschreibt: „Grundsätzlich versuche ich immer, Dinge zu lösen. […] Es ist immer etwas, das du nur erreichen kannst, wenn du es tust. Also radier es aus und fang noch mal an. Meistens gerätst du da, wo du hin willst, zufällig hin“.