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Träume erleben – sich selbst kennen lernen

27.08.2010

Der Traum ist eine Ressource, die jedem Menschen zugänglich ist. Und jeder Mensch kann mit seinen Träumen in die Tiefe seines Selbst schauen.

Der Traum gehört noch immer zu den größten Rätseln der Menschheit. Seit vielen tausend Jahren wird diesem Mythos in vielerlei Hinsicht nachgegangen. In der Gegenwart interessieren sich Neurobiologen für seine Funktion genauso wie Esoteriker. Jeder einzelne Mensch denkt über seine Träume nach und sucht nach ihrer Bedeutung. Der Traum dient seit Jahrhunderten vor Christi als Orakel und Omendeutung, als Entscheidungsgrundlage oder als Ausdruck von physischen Erkrankungen. Das Paradoxe am Traum ist: Einerseits träumt jeder Mensch, andererseits lässt sich das Geträumte nur unzureichend beschreiben und daher nur mit Mühe erforschen.

Traumforschung in der Wissenschaft

Seit Mitte der 1950er Jahre die REM-Phase (Rapid Eye Movement) als wichtiges Element des Traumes ausgemacht wird, inzwischen als Kernstück der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Phänomen gilt und vor allem seit die Forschung in der Psychologie und Neurobiologie in großen Schritten vorangekommen ist, scheinen die Forscher dem Mythos Traum immer mehr auf den Grund zu kommen. In der psychologischen Forschung geht es einerseits um die Beschreibung des Geträumten, damit man Träume besser auswerten und erforschen kann. Als Traum wird das definiert, was der Träumer in der REM-Phase an Bildern generiert. Der zweite Aspekt des wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses sind die Einflüsse, die zu Träumen führen bzw. sie verstärken. Drittens ist von Interesse, inwieweit sich Träume auf die Realität auswirken, also handlungs- oder entscheidungsweisend sind.

Die Funktion des Traumes

Wozu dient ein Traum überhaupt? Die Mutmaßungen über die Aufgaben des Traums sind vielfältig. Während einige Forscher dem Traum überhaupt keine Funktion zuschreiben, beschäftigen sich andere Wissenschaftler wie Sigmund Freud ihr Leben lang damit. Die Thesen reichen von der Annahme, dass im Traum das Gehirn reift, der Traum den Schlaf hütet bis hin zu der Vermutung, dass Träume reinigen, indem sie uns Dinge vergessen lassen. Manch einer wird festgestellt haben, dass sich in Träumen gelegentlich Probleme lösen oder kreative Ansätze finden lassen.

Der Traum sind wir

Doch warum gibt es Menschen, die behaupten, nie zu träumen, während andere regelmäßig in bizarren und irrealen Träumen Abenteuer erleben und die Grenzen des real Möglichen sprengen? Fakt ist, dass Träume so wie Gedanken sehr individuell sind, also nur uns selbst gehören. Jeder Mensch, jedes Tier, jeder Ort, der im Traum auftaucht, hat einen Bezug zum eigenen Leben. Dass man seine Träume dennoch nicht so leicht verstehen kann, liegt daran, dass diese als Symbole verschlüsselt sind. Jeder, der sich intensiv mit dem auseinandersetzt, was er erlebt hat, was ihn gerade beschäftigt, welche Beziehungen zu anderen Menschen ihn entweder belasten oder erfreuen, wird das entsprechende, symbolische Pedant im Traum finden. Wenn man von einem Haus träumt, dann ist dieses Haus man selbst und je nachdem, wie der Zustand dieses Hauses ist, ist der Zustand des eigenen Ich. Unordnung oder Zerstörung weisen auf eklatante persönliche Probleme hin.

Der Psychoanalytiker Carl G. Jung ist der Meinung, dass das Unbewusste des Träumens auf eine Intelligenz und Zweckgerichtetheit hinweist, die erstens in unserem Bewusstsein nicht zu erreichen ist, andererseits entscheidet diese Intelligenz auch über die Qualität unserer Träume, die sich auf verschiedenen Stufen aufbaut. Es liegt die Vermutung nahe, dass jede Traumstufe einer Bewusstseinsstufe entspricht. Menschen, die wenig um sich herum wahrnehmen, wenig Empathie besitzen und keinen Sinn für Ästhetik haben, werden weniger intensiv träumen, als beispielsweise künstlerisch veranlagte oder wachsame Personen, die hinter jeder Begegnung mit Objekten und Subjekten gleichermaßen den Sinn dahinter suchen, die ihre Umgebung sorgfältig beobachten und generell viel geistigen Input haben, wie zum Beispiel in Form von tiefgründigen Gesprächen oder Literaturlektüre.

Verschiedene Traumstufen

Auf der ersten Stufe unserer Träume träumen wir nicht bzw. erinnern uns am nächsten Morgen nicht daran, etwas geträumt zu haben. Die zweite Stufe umfasst Träume, in denen wir uns mit Alltagsproblemen auseinandersetzen. Diese Träume bestehen meist nur aus Gesprächs- und Handlungsfetzen und scheinen keinen Sinn zu ergeben. Meist sind diese Träume auch nicht besonders plastisch oder farbenfroh. Auf dem dritten Traumlevel erleben wir emotionale, plastische und farbige Träume, in denen es oft abenteuerlich zugeht. Diese Träume sind oft sehr stark symbolbehaftet und eignen sich für das Hinterfragen eigener Ziele, Wünsche und Vorstellungen. Ab dem vierten Traumniveau wird es mystisch. Wir verwandeln uns in fremde Wesen; Feen und sprechende Tiere sind Teil dieser Welt. Wir setzen physikalische Gesetze außer Kraft und erfahren uns als Teil eines Märchens. Auf der fünften Traumstufe verlassen wir die mythisch behaftete Welt und bewegen uns scheinbar in der Realität. Diese Traumphase unterscheidet sich in Sachen Logik oder natürlichen Gesetzmäßigkeiten nicht vom Wachzustand. Oft tauchen solche Träume später als Erinnerung auf, die sich nur schwer von Erinnerungen an reales Geschehen unterscheiden lässt. Das Traumplateau ist mit der sechsten Stufe erreicht: den luziden Träumen. Der Mensch weiß, dass er träumt und kann sich alles vorstellen. Er ist in der Lage, Dinge bewusst zu tun. Er kann sich ans Meer wünschen oder einfach davon fliegen. Diese Traumstufe, die nur mit viel Übung und Geduld erlernt werden kann, ermöglicht es beispielsweise auch, Dinge zu erlernen, die dann im Unterbewusstsein viel stärker verankert sind als dies im Wachsein möglich ist.

Wie man intensiver träumt und sich selbst besser kennenlernt

Der Traum ist Versymbolisierung der inneren Kräfte: des individuellen Wissens, der eigenen Emotionalität, des persönlichen Abstraktionsvermögens, der subjektiven, noch verborgenen Fähigkeiten. Er ist die Verbildlichung des Ich. Je genauer wir uns mit unserer Umgebung und dem, was wir fühlen, denken, hoffen und wünschen, auseinandersetzen, je sorgfältiger wir Träume nachbereiten, indem wir uns aktiv an sie erinnern und versuchen, sie zu verstehen, je mehr wir Literatur, Kunst und Gespräche rezipieren, umso mehr wird das Sammelbecken unseres Bewusst- und Unterbewussteins gefüllt und umso größer wird die Quelle, aus der sich unsere Träume speisen. Intensives Träumen lässt sich zum Beispiel mit dem Schreiben eines Traumtagebuchs voranbringen. Und je mehr und intensiver wir träumen, desto mehr lernen wir über uns selbst, vor allem über unsere versteckten Wünsche und Sehnsüchte. Sich selbst (er)kennen zu lernen, ist der erste Schritt hin zu einem glücklichen, selbstbestimmten und ausgeglichenen Leben und der Fähigkeit, auch mit anderen Menschen langfristige und eindringliche Beziehungen zu führen.

Der Traum von einem erfüllten Leben liegt im Traum verborgen.