web analytics

— Hide menu

Das größte Geheimnis

13.09.2010

Überall sucht er das Geheimnis: in der Mathematik, im All, in der Tiefe des Meeres oder in der Liebe. Doch das größte Geheimnis ist er selbst – der Mensch.

Die Komplexität des Menschen ist unergründlich. Die Anzahl und Beschaffenheit seiner Billionen umfassenden elementaren Bestandteile ändert sich im Laufe seines Lebens ständig. Und auch sein Wahrnehmungsapparat variiert täglich. Außerdem unterscheidet sich der Mensch von anderen Lebewesen, vor allem den genetisch nahen Verwandten, durch eine Reihe von kognitiven Fähigkeiten, die voller Geheimnisse stecken. Neben vielen anderen Aspekten ist er, hinsichtlich seiner Träume, seiner Sprache und seiner Physiologie nur in kleinen Teilen erforscht. Das macht ihn zum größten Mysterium der Welt.

Die Komplexität des Menschen

Die Rätselhaftigkeit des Menschen liegt in seiner Komplexität begründet. Der Mensch verfügt zum Beispiel über 100 Milliarden Neuronen, 10 bis 100 Billionen Zellen, vier Millionen Schweißdrüsen und 639 Muskel. Der allergrößte Teil (über 90%) seiner Sinneswahrnehmungen ist optischer Natur. Er ist bei guten Lichtverhältnissen in der Lage, eine Million Farben zu sehen. Etwa eine halbe Milliarde Mal schlägt er die Augenlider und bei etwa 16.000 Wörtern täglich spricht er bei einer Lebenserwartung von 80 Jahren circa 470 Millionen Worte. Sein Herz schlägt in der gleichen Zeit ungefähr drei Milliarden Mal. Die Fähigkeit, zu denken, zu sprechen und entsprechend kreativ zu handeln, liegt in seiner Gehirnleistung begründet. Bei keinem anderen Lebewesen auf der Erde gibt es parallel ein so hohes absolutes und ein so hohes relatives Gewicht dieses Organs wie beim Menschen.

Was unterscheidet den Menschen von anderen Lebewesen?

Seinem lateinischen Namen nach ist der Homo sapiens der Einsichtsfähige oder der Weise. Aber was macht den Menschen zum Menschen? Es sind in erster Linie seine kognitiven Fähigkeiten, die sich in verschiedener Weise manifestieren: in seiner Kultur sowie in seiner Begabung zu Reflexion und Transzendenz. Der Homo sapiens in der Lage, sich als Individuum zu begreifen. Der Mensch ist fähig, zu sprechen. Er kann erworbene Kenntnisse in Form von Wissen weitergeben, damit ihm Nachfolgende darauf rekurrieren. Damit verbunden ist die Fähigkeit, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wahrzunehmen und auf der Basis dieses Bewusstseins zu handeln. Daran anschließend ist der Mensch zum Vergleich und zur Planung fähig sowie in der Lage, vorausschauend zu wirken und Ereignisse in der Zukunft zu antizipieren. Er ist also kreativ. Das Ich-Bewusstsein ist der wesentlichste Unterschied zu anderen Primaten. Der Mensch weiß um sein Selbst und um seine Endlichkeit. Die Beschäftigung mit dieser physischen Begrenzung sowie mit dem Tod befähigt ihn zur Auseinandersetzung mit philosophischen und religiösen Themen.

Was ist der Mensch?

Die Frage „Was ist der Mensch“ wurde schon im Alten Testament der Bibel gestellt (Psalm 8) und ist bis heute nicht beantwortet. Der Pharmakologe und Molekularmediziner Detlev Ganten gab 2008 einen Sammelband mit dem Titel „Was ist der Mensch?“ heraus. Renommierte Wissenschaftler beschreiben in diesem Buch Ansätze und damit Möglichkeiten, wie diese Frage zu beantworten ist – aus wissenschaftlicher, politischer oder theologischer Sicht. Das Buch bietet natürlich keine Lösung an, gibt aber eine Idee davon, wie vielschichtig die Beantwortung dieser Frage ist. Eine philosophische Auseinandersetzung mit diesem Thema findet sich bei Karl Jaspers in „einem philosophischen Denken für alle“, einem Buch, das in seinem Titel ebenfalls die Frage stellt, was der Mensch ist.

Träume des Menschen – ein ewiges Rätsel?

Obwohl die Fähigkeit zu träumen schon seit dem Altertum eine wesentliche Bedeutung als Orakel spielte und bisweilen über menschliches Glück und Unglück entschied, hat die Traumforschung, die seit etwa Mitte der 1950er Jahre große Fortschritte gemacht hat, ihren Höhepunkt noch vor sich. Auch die Tiefenpsychologie wird in Zukunft noch viele Erklärungen in Bezug auf die Träume des Menschen und ihrer Bedeutungen machen können. Die Träume, die vom Ich gesteuert sind, sich also aus unserem Unterbewusstsein speisen, sind unter anderem durch die Begabung zu starken Emotionen innerhalb des Traumes charakterisiert. Kann der Mensch daraus schöpfen? Wie ist es möglich, dass das menschliche Gehirn während des Träumens auf alle je wahrgenommenen Informationen zugreifen kann? Gelten allgemeine Traumsymbole in einer Zeit des exzessiven Individualismus immer noch? Kann sich der Mensch eines Tages seine Träume als Handlungsanweisung, Spiegel oder als mantisches Potential sogar zu Nutze machen? Ist der Traum eine zweite Realität, deren Erforschung uns noch effektiver und intelligenter werden lassen kann?

Humangenomforschung – Fluch oder Segen?

Auch die Erforschung der physiologischen Komplexität des Menschen, vor allem des Gehirns sowie die Sequenzierung der menschlichen DNA stellen Wissenschaftler vor große Herausforderungen, denen sie sich noch in Jahren stellen werden. Damit verbunden sind Fragen, ob AIDS oder Krebs eines Tages geheilt werden können, ob man Gene, die zu verstärktem Suchtverhalten führen oder das Ausüben krimineller Handlungen begünstigen, manipulieren kann. Mit jeder neuen Entdeckung innerhalb der Naturwissenschaften, insbesondere der Humanmedizin, erweitert sich unser Horizont noch ein wenig mehr und führt so zu neuen Denkweisen – und neuen Fragen.

Sprechen und Denken

Die meisten Sprachen auf der Welt (etwa 6.500 bis 7.000 an der Zahl) sind durch hohe Komplexität gekennzeichnet, die es ihren Sprechern erlaubt, sich unbegrenzt und auf den Punkt präzise auszudrücken. Ein oft riesiger Wortschatz, der laut Duden in der deutschen Alltagssprache etwa eine halbe Million Wörter umfasst, dessen zentralem Wortschatz immerhin noch 70.000 Wörter zugeordnet sind, erlaubt unendliche Kombinationsmöglichkeiten. Die Auseinandersetzung mit der Sprache des Menschen führt zu Fragen wie: Beeinflusst Sprache unser Denken? Spielt es eine Rolle, dass es Sprachen gibt, in denen das Verb „sein“ zweierlei Bedeutungen hat (wie im Spanischen) und differenziert, ob man etwas stets besitzt oder nur vorübergehend? Bezieht sich das Denken der Sprecher verschiedener Sprachen auf verschiedene Systeme? Diese und viele andere Fragen in Bezug auf die Sprache des Menschen sind ungeklärt.

Der Mensch – Individuum oder Gesellschaftstier?

Ist der Mensch tatsächlich ein Individuum, das absolut unverwechselbar im Hinblick auf seine genetische und soziale Ausstattung ist, versehen mit unterschiedlich ausgeprägten Emotionen und Denkmustern? Oder ist der Mensch doch nur Teil einer Gesellschaft und durch gemeingültige Werte und Normen beeinflusst? Es gibt unzählige Geheimnisse über den Menschen und jeder ist in der Lage, der Entschlüsselung dieses Rätsels ein kleines Stück näher zu kommen. Jeder Mensch kann Geheimnisse um seine Spezies lüften, indem er sich und andere beobachtet und seine Emotionen, Erlebnisse und Gedanken protokolliert und darüber nachdenkt. Denn eines ist sicher: Die Fähigkeit zur Reflexion ist eine der wichtigsten Begabungen des Homo sapiens.