web analytics

— Hide menu

Die Globalisierung der Kultur

15.11.2010

Der Begriff der Globalisierung ist allgegenwärtig und wird dennoch meist nur auf die Wirtschaft angewandt. Er berührt allerdings auch die Sphäre der Kultur.

Globalisierung meint das über die Grenzen eines Staates und oft auch über den Kontinent hinausgehende wirtschaftliche und politische Handeln. Die Ursachen dieses Prozesses, der auch die Bereiche Gesellschaft und Kultur tangiert, liegen einerseits im technischen Fortschritt, seit etwa zehn Jahren noch einmal durch das Internet forciert, aber auch in der Entwicklung von Kommunikationskultur und Transportwesen begründet. Auch politische Entscheidungen, die beispielsweise den Welthandel betreffen, haben zu dieser Entfaltung beigetragen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definiert Globalisierung als einen „Prozess, durch den Märkte und Produktion in verschiedenen Ländern immer mehr voneinander abhängig werden – dank der Dynamik des Handels mit Gütern und Dienstleistungen und durch die Bewegung von Kapital und Technologie“.

Die Vorläufer der kulturellen Globalisierung

In den vielseitigen, oft hitzigen Diskussionen über die Vor- und Nachteile dieser Zunahme von wirtschaftlichen Verflechtungen unterschiedlicher Länder auf der ganzen Welt wird die kulturelle Globalisierung oft vernachlässigt. Dabei taucht der Wunsch nach einer „Weltliteratur“ schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erst bei August Wilhelm Schlegel auf, der dann von Wolfgang von Goethe aufgenommen wird. Und auch Christoph Martin Wieland träumt von einem „homme du monde“, einem Mann von Welt und Goethe wünscht sich die Epoche der Weltliteratur herbei und ist der Meinung, dass jeder „jetzt dazu wirken (muss), diese Epoche zu beschleunigen“. Doch der herbeigesehnte Kosmopolitismus wird durch die Entwicklung der Nationalstaaten unterbunden, die zur Herausbildung einer gemeinsamen nationalen Identität eine kulturelle Nationalisierung in Gang bringen. Die Nationalstaaten beginnen „die in ihrer Sprache gesprochene Nationalliteratur zu kanonisieren, pflegen Volkslied und Volkskultur“ (Jürgen Gerhards). Selbst die regionalen Unterschiede im Kulturgut, wie Dialekte oder Bräuche, werden in die Nationalkultur eingegliedert. Die Nationalisierung von Kulturgut ist also eine „politische Konstruktion“ (Bernd Wagner) und findet Mitte des 20. Jahrhundert seinen grausamen Höhepunkt in nationalsozialistischen und faschistischen Bestrebungen zur Etablierung einer arischen Kultur.

Die Wirkung anderer Kulturen führt zum Fluss statt zu einem Mosaik der Kulturen

Jeder Schriftsteller, Musiker oder Künstler wird bestätigen, dass er sich von anderen Kulturschaffenden beeinflusst sieht, wie es auch der World Culture Report auf den Punkt bringt, der die Welt nicht als ein „Mosaik der Kulturen“, sondern als einen „Fluss der Kulturen“ sieht, in dem sich unterschiedliche Stile und Moden miteinander vermischen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts globalisieren sich auch Musik und Kunst. Durch die technische Möglichkeit, Töne auf Schallplatten zu speichern und wiederzugeben, erhält außereuropäische Musik Einzug in Deutschland und Europa und aus diesen unterschiedlichen musikalischen Einflüssen entsteht wiederum eine neue Musik, die Weltmusik. Ursachen für die Globalisierung der Kunst sind die neu entstehenden, vor allem völkerkundlichen Museen, die Beutegüter der Kolonialisten aus Afrika und Ozeanien ausstellen und damit wiederum die europäischen Künstler inspirieren. Beispiele dafür sind Paul Gauguin, Emil Nolde, August Macke, Henri Rousseau oder Pablo Picasso. Ebenso spielt die Fotografie bei der Verbreitung von außereuropäischen, kulturellen Einflüssen eine große Rolle. Der Schriftsteller Oskar Beyer spinnt den „Weltkunstgedanken“ und nennt ihn „die Gesamtheit aller Stilformen und Kunstbezirke des ganzen Weltkreises“.

Die Ursachen der kulturellen Globalisierung

Diese Entwicklungsprozesse des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, also die Entstehung von Weltliteratur, Weltmusik und Weltkunst sind die Vorboten dessen, was wir als kulturelle Globalisierung bezeichnen. Drei wesentliche gesellschaftliche Umwälzungen haben zur weiteren Herausbildung dieser kulturellen Verflechtungen beigetragen. Dies sind die Entwicklung einer „Weltgesellschaft“, die internationalen und interkontinentalen Personenströme, also Migrationsbewegungen sowie die Entwicklung der Medien, vor allem des Internets. Der Begriff der Weltgesellschaft beinhaltet die freie Bewegung von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital (innerhalb der Europäischen Union auch „Vier Freiheiten“ genannt).

Aspekte der kulturellen Globalisierung

Die heutige kulturelle Globalisierung ist durch drei Gesichtspunkte definiert. Einmal hat die Anpassung von Kultur und Konsum dazu geführt, dass überall auf der Welt die gleichen Unterhaltungsprodukte (Hollywood-Blockbuster, American Idol, Who Wants to Be a Millionaire?) als auch die gleichen Güter konsumiert werden, seien es McDonalds, Marlboro, Coca-Cola oder MTV. Zweitens werden diese Güter nicht einfach so hingenommen und ohne Reflexion konsumiert, sondern mit den regionalen Traditionen und Wesensmerkmalen der eigenen Kultur in Einklang gebracht. Große, international agierende Firmen müssen beim Verkauf ihrer Produkte Namen, Werbung, Design oder die Art des Verkaufes den Ansprüchen der einzelnen Zielgruppen angleichen. So sendet MTV sein Musikprogramm beispielsweise mittels zwei Dutzend Sendern, die den regionalen Gegebenheiten entsprechen, in die Welt. Drittens gibt es heute ohnehin keine Reinformen von Kultur mehr. Jede Kultur ist an sich multikulturell, da sie ständig von unterschiedlichen Stilen und Traditionen anderer Kulturen beeinflusst wird, vor allem über die Medien.

Die Ausbreitung kultureller Globalisierung zügelt Fremdenhass

Aller Kritik zum Trotz ist die kulturelle Globalisierung ein Segen. Denn mit jedem neuen Eindruck einer uns unbekannten Kultur weitet sich der eigene Horizont wieder ein wenig mehr und diese Öffnung ist eine wesentliche Voraussetzung, um Fremdenhass vorzubeugen. Denn dieser beruht häufig auf Nichtwissen und Angst vor dem Fremden. Wenn wir das Fremde aber durch exotische Produkte, Filme, Bücher oder Musik herein- und uns darauf einlassen, ist dies der erste Schritt hin zu einer Weltkultur.

Quellen: Jürgen Gerhards (2010): Mehrsprachigkeit im vereinten Europa. Transnationales sprachliches Kapital als Ressource in einer globalisierten Welt. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; Oskar Beyer (1923): Welt-Kunst. Von der Umwertung der Kunstgeschichte. Dresden; Bernd Wagner (2002): Kulturelle Globalisierung. Von Goethes „Weltliteratur“ zu den weltweiten Teletubbies, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B12: 10-18.