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Mit Fotografie zur Erkenntnis: Wolfgang Tillmans

03.02.2011

Mit Porträts, Landschaftsbildern, Stillleben und seinen abstrakten Fotografien gehört Wolfgang Tillmans zu den wichtigsten Künstlern der Gegenwart.

Wolfgang Tillmans wird 1968 in Remscheid geboren und lebt sowie arbeitet in den späten 1980er Jahren in Hamburg. Dort feiert er schon kleinere Erfolge und es zieht ihn Anfang der 1990er Jahre nach Großbritannien, wo er zuerst am Bournemouth & Poole College of Art and Design studiert, anschließend ein paar Jahre in London lebt und arbeitet. Mitte der 1990er geht er für zwei Jahre nach New York, um sich dort inspirieren zu lassen und seine Kunst weiterzuentwickeln. 1995 kann er mit dem Ars Viva Prize und dem Kunstpreis der Böttcherstraße (Bremen) wichtige Erfolge verzeichnen. Er kehrt zurück nach Europa und lebt bis 2007 wieder in London. Nach einer Gastprofessor an der Hochschule für Bildende Künste (Hamburg) Ende der 1990er Jahre erhält er 2000 als erster deutscher Künstler und als erster Fotograf den renommierten Turner Prize der Tate Britain (London) und ist unterrichtet seit 2003 als Professor an der Frankfurter Städelschule. Seit vier Jahren lebt und arbeitet Tillmans in London und Berlin. Das Kunstmagazin Monopol platziert Tillmans im Jahr 2007 in den TOP10 der wichtigsten zeitgenössischen Künstler.

Ein Überblick über das Werk Wolfgang Tillmans’

Tillmans ist in erster Linie ein aufmerksamer Beobachter. Schon als Schüler beginnt seine Leidenschaft für das Bild. Er sammelt Fotografien sowie Bilder aus Zeitungen, fotokopiert, collagiert und entdeckt schließlich die Kamera für sich, mit der er die Hamburger Freunde der Nacht zum Hauptsujet seines Frühwerks macht. Es geht ihm nicht darum, das Leben um ihn herum zu konservieren oder sich auf eine Art zueigen zu machen, „es war eher das Gefühl, andere Leute damit anzustecken, was für eine tolle Welt das ist und das auch mitteilen zu wollen“, wie er in einem Interview mit dem Magazin der Süddeutschen erzählt. Nach den frühen Fotografien, mit denen er die Menschen seiner Umgebung und Generation porträtiert, werden auch Interieurs, Landschaftsbilder („Der Blautopf in Blaubeuren“, 2001) und Stillleben (z. B. „Chaos Cup“, 1997) zu seinen favorisierten Themen. Zuletzt zeigt Tillmans unter anderem in der Andrea Rosen Gallery (New York), in der Serpentine Gallery (London) sowie in der Galerie Daniel Buchholz (Berlin) Installationen seiner Fotos, die erstens einen guten Überblick über sein Œuvre zeigen als auch die Bilder in einen Zusammenhang stellen, der den Fotografien eine neue, eigene Dynamik gibt und die Bedeutung der Fotografie für die Kunst der Gegenwart deutlich macht.

Abstrakte Fotografie als Entschleunigung der Wahrnehmung

Mit seinen Serien „Lighter“ und „Freischwimmer“ nimmt Wolfgang Tillmans Abstand von der objektgebundenen Fotografie und sucht in der Dunkelkammer ohne Kamera Grenzen zu überschreiten und in neue Empfindungsebenen vorzudringen. In der FAZ berichtet er, dass ihm wichtig sei, „immer etwas Neues“ zu erfahren. Das Bedürfnis, künstlerisch in neue Räume vorzustoßen, entsteht, „weil ich das, was ich sagen will, nicht (…) mit Worten ausdrücken kann“. Damit schafft er für das betrachtende Auge einerseits fremdartige Strukturen und Muster, die andererseits in ihrer poetischen und atmosphärischen Dichte und Leichtigkeit gleichermaßen etwas im Betrachter rühren, das sich wirklich kaum in Worte fassen lässt. In einem SPIEGEL-Interview führt er diese Erfahrung aus, indem er eine „Verlangsamung des Sehens“ propagiert, die er mit den Abstraktionen forciert. Dieser Wunsch nach Verzögerung hat etwas Somnambules und wird durch die Monochromie und Abstraktion der Bilder verstärkt, weil sie nicht so leicht zu verstehen sind, aber umso intensiver wirken. Ähnlich wie bei Rothkos Farbfeldern entsteht eine metaphysisch anmutende Sphäre der Träumerei, die etwas Andächtiges hat. Tillmans gibt zu, dass er Bilder macht, „um die Welt zu erkennen“ und ebenso erhält der aufmerksame und interessierte Beobachter die Möglichkeit, neue Wahrnehmungserfahrungen zu machen.

Die Überschätzung als der Anfang der Weiterentwicklung

In der Vanity Fair erzählt Tillmans, dass seine Arbeit nur „die Verlängerung meiner Weltsicht ist und meines Lebens“ und gibt zu, dass unter anderem Alkohol für seine Arbeit inspirierend wirkt, weil sein Konsum eine Überschätzung generiert, die für das Entstehen neuer Ideen wesentlich ist. Denn durch Überhebung und Übertreibung, durch das Verlassen der Pfade der Nüchternheit und somit Beherrschung durch den Verstand, entstehen Gedankengänge, die in von einem Rausch unbeeinflusstem Zustand nicht gedacht würden und die gleichsam zu neuen Konzepten führen.