web analytics

— Hide menu

Geschichten

Mint (2015)

02.09.2015

Die Uhr schlägt neun. Zum vielleicht zehnten Mal an diesem Morgen klickt das Feuerzeug. Sam schiebt den Vorhang beiseite und schaut aus dem Fenster. Die Straße ist fast ausgestorben. Nur ein schwarzer Mantel hüpft den Fußweg entlang. Enttäuscht geht er in die Küche und setzt sich an den Tisch. Sein Blick schweift durch den Raum und bleibt an der Ecke hängen. Sie ist leer. Er macht die Zigarette aus und geht ins Bad, schaut in den Spiegel und schenkt sich ein überdrehtes Grinsen. Er freut sich wahnsinnig, geht zurück ins Wohnzimmer, schaut auf die Uhr, aus dem Fenster, zündet sich eine an. Geht zurück in die Küche zur Kaffeemaschine, prüft den Wasserstand, tauscht die Kapsel, drückt den Knopf. Einen Moment lauscht er dem Rauschen der Maschine, dann wirft er die Zigarette in die Spüle. (mehr …)

Spring! (2014)

12.12.2014

Es war ein Samstag im Februar als ich anfing, zu leben. Seit Wochen ignorierte ich das sporadisch blinkende Telefon. Mein alter Freund Peter versetzte es in Dauerflimmern. Ich nahm ab und er bat mich wortreich, ihm beim Umzug zu helfen. Lustlos sagte ich zu.

Seit Monaten erschöpfte ich mich beim Therapeuten. Wenn ich nicht arbeitete, war ich allein und träumte vom Denken, Lesen und Schreiben – von einem Studium. Meinen Traum zu leben, traute ich mich nicht. Konnte ich das? Wo war der Anfang? Und wovon sollte ich leben? Im Büro gab ich mich stoisch meinen Pflichten hin. Traf jemand einen falschen Ton, ging ich zur Toilette und spülte meine Tränen hinunter. Es war ein nervenzehrender Job ohne Niveau, aber gut bezahlt und im glanzvollen Medien- und Politikmilieu. Eine Kündigung stand außer Frage. Schon als Kind beeindruckte ich gern meine Familie, Schulkameraden, sogar Fremde, indem ich Dinge tat, von denen ich glaubte, dass sie ihnen gefielen. Die Meinung der Anderen war der Kurs, auf dem ich durchs Leben schipperte. Doch schon längst kam der Wind von allen Seiten und ich stand still. (mehr …)

Tauchgänge (2010)

30.05.2010

Der Kalender zeigt den Beginn des Frühlings an, doch der Wind bläst eisig durch die Straßen. Sie läuft in schnellen, sicheren Schritten durch die dunkle Stadt, umströmt von ebenfalls sich hastig vorwärtsbewegenden Großstädtern, die ob der Kälte keine Muße haben, kurz inne zu halten und den Himmel zu betrachten, der noch leicht erleuchtet ist und dessen Wolken wie Wellen quellen. Der Alltag hat sie seit Jahren fest im Griff, treibt in allseits bekannten Bahnen, lässt wenig Zeit, einmal hinauszuschwimmen. Ihre Gedanken rauschen und sprudeln, fließen ineinander und überfluten etwas die Freude auf den bevorstehenden Abend. Ein befreundetes Pärchen, er Koch, sie Künstlerin haben zu einem Kochkunstabend in einem alten Schwimmbad eingeladen: Ein vom Wasser inspiriertes Menü inmitten einer Multimediainstallation. (mehr …)